Versprochen oder belegt?
Werbeaussagen bei Lebensmitteln
Sie kennen sie alle, spezielle Lebensmittel, die ein wenig von der Industrie verändert plötzlich wahre Wunder wirken sollen.
In Deutschland, wie in den meisten anderen Ländern auch, gibt es eine klare rechtliche Trennung von Lebens- und Heilmitteln, geregelt entweder im Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände Gesetz oder in der Arzneimittelverordnung. Heilmittel werden erst als solche anerkannt, wenn sie zeit- und geldintensive Studien durchlaufen haben. Normale Lebensmittel dürfen nicht einfach zum Heilmittel umgewidmet werden. Ebenso ist eine irreführende Bezeichnung eindeutig verboten. In der Praxis sieht es aber ein wenig anders aus. Lebensmittelkontrollen stellen bei rund 50 Prozent der untersuchten Lebensmittel fehlerhafte Deklarationen fest. Die mögliche heilende oder vorbeugende Wirkung ist eine mehr oder weniger unterschwellig versprochene Werbeaussage in der Regel aber selten oder nie exakt belegt.
Aussagen zum Nährwert wie fettarm oder ballaststoffreich sind ab sofort durch die so genannte vom Europäischen Parlament im Mai 2006 Health-Claim-Verordnung eindeutig zu belegen. Die Zulässigkeit von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben misst sich dann an den noch genauer zu bestimmenden Nährwertprofilen (relativierende Angaben zu Fett, Kohlenhydraten, Vitaminen, Salz …). Gesundheitsbezogene Angaben wie „Vollkorn hält den Darm gesund“ dürfen dann nur noch gemacht werden, wenn sie wissenschaftlich nachprüfbar sind und nach einer Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassen wurden. Alle Aussagen, die wenig aussagekräftig und nicht nachprüfbar sind („hält jung und verbessert das Gedächtnis“), sollen künftig verboten sein. Nicht gestattet wäre die Werbeaussage: „Milch schützt vor Osteoporose“.
In Japan gibt es unter dem, von Europa kritisch betrachtetem FOSHU-Label (Nahrungsmittel mit „nachgewiesenem“ gesundheitlichem Nutzen) Kekse gegen Eisenmangel, Chips, die Stress mindern, mit Ballaststoffen angereichertes Eis und Getränke für eine schönere Haut...
Bisher gibt es nur ein Produkt in Europa, welches mit seiner Werbeaussage in der Europäischen Union zugelassen ist. Becel pro aktiv (die Halbfettmargarine enthält Phytosterin) darf mit der wissenschaftlich belegten Aussage werben, „schlechtes“ LDL-Cholesterin würde um 10 bis 15 % gemindert und dadurch das Herz-Kreislauf-Risiko um 25 % reduziert können. Auf der Verpackung steht sogar ein Hinweis zur Anwendung. Bei empfohlenen 20 bis 25 Gramm Margarine pro Tag nimmt man rund zwei Gramm Pflanzensterine zu sich nicht wirklich wenig.
Das Ausmaß der Cholesterinspiegelsenkung hängt allerdings ab von der sonstigen Ernährungsweise, der körperlichen Aktivität und speziellen Vererbungsfaktoren...
In dem Beipackzettel von Azuprostat, einem Medikament zur Behandlung von Prostatabeschwerden, stehen als mögliche seltene Nebenwirkungen (bei einer normalen Dosierung von 130 Milligramm Phytosterol pro Tag): Oberbauchbeschwerden, Bauchschmerzen, Übelkeit und Hautausschlag. Bei dem Wirkstoff Phytosterol handelt es sich ebenso um ein Pflanzensterin wie in dem Becel-Produkt. Hier treten die möglichen Nebenwirkungen schon bei einer Dosierung von weniger als 10 Prozent der von der Halbfettmargarine empfohlenen Verzehrmenge auf. Becel pro aktiv ist ohne Rezept zu erwerben…
Ralf Salecker