Rieselfelder Spandau Karolinenhöhe in Berlin
Wer das Gelände der Spandauer Rieselfelder oder besser gesagt die Rieselfelder Karolinenhöhe betritt, wandelt auf historischem Boden, auch wenn es auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist.
Augenfällig ist eine flache von Wällen, Gräben und Senken durchzogene kleinteilige Landschaft mit einer vielfältigen Vegetation. Sträucher, Hecken und Bäume säumen Wege, bilden Alleen oder dichte Gehölzansammlungen unterschiedlichen Alters, die in ferner Zukunft einmal kleine Wäldchen werden können. Wander- und Reitwege schaffen eine Verbindung zur Gatower Feldflur.
Die vielgestaltige etwa 220 Hektar umfassende Landschaft, ist heute ein Erholungsgebiet mit Brachflächen, landwirtschaftlicher Nutzung, sowie Feucht- und Magerwiesen. Lebensraum für eine reichhaltige Flora und Fauna. Am 24. August 1987 wurde dieses Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.
Ein paar wenige Belüftungsbecken lassen erahnen, was hier früher einmal in großem Stile geschah.
Der Ingenieur James Hobrecht schuf in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, unterstützt von dem Arzt und Politiker Rudolf Virchow, in Berlin ein geschlossenes System zur Wasserversorgung, welches auch die Ableitung und Reinigung des entstehenden Schmutzwassers bedachte. Epidemien mit ihren unzähligen Opfern traten von nun an deutlich seltener auf.
Anfang 1888 erwarb der Magistrat von Charlottenburg das damalige Gut Karolinenhöhe. Noch im selben Jahr wurde dort im Bereich zwischen der Potsdamer Chaussee und der Gatower Straße mit der Errichtung von Rieselfeldern begonnen.
Karolinenhöhe war einer von 20 Rieselfeldbezirken in Berlin. Die stete Berieselungung zur mechanisch biologischen Reinigung blieb nicht ohne Folgen. Die Verschlämmung veränderte den Nährstoff- wie auch den Sauerstoffhaushalt der Böden. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung erbrachte immer geringere Erträge. Abhilfe brachte eine deutliche Minderung der verrieselten Abwassermengen.
Da diese irgendwo bleiben mussten, erhöhte man einfach die verrieselte Menge auf den verbliebenen Flächen. Die immer wieder abgetragenen Schlämme wurden lange Zeit als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt.
Mit dem Bau des Klärwerkes Ruhleben 1963 konnte die dafür genutzte Fläche noch einmal erheblich verkleinert werden. Ende der 1970er Jahre beschloss man die endgültige Aufgabe der Rieselfelder, auch wenn diese in Teilbereichen, aber nur noch mit geringen Verrieselungsmengen, noch bis 1992 genutzt wurden.
1996 wurde von der Wasserbehörde die Duldung der Versickerung von Mischwasser (aus starken Regenfällen) zurückgezogen. So wird die Grundwasserqualität der Riesfelder geschützt.
Hauptgrund für die dort noch andauernden Verrieselung sind einerseits die dauerhafte Immobilisierung von im Boden angereicherten Nähr- (Stickstoff, Phosphat) und Schadstoffen (Schwermetalle und organische Substanzen wie polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder polychlorierte Biphenyle und Hexachlorbenzol), andererseits eine Anreicherung des Grundwassers. Im Falle einer dauerhaften Austrocknung würden Schadstoffe durch Mineralisierungsprozesse wieder freigesetzt und könnten so ins Grundwasser gelangen.
Anfang der 1980er Jahren folgte eine Untersuchung der Böden der Berliner Rieselfelder hinsichtlich Nährstoffsituation und Schadstoffbelastung. Böden und Nutzpflanzen zeigten deutliche Belastungen mit Schwermetallen. So ist es nicht verwunderlich, dass 1985 der Anbau von Gemüse hier verboten wurde. Gestattet war einzig der Anbau von Futtermitteln oder Pflanzen, die Schadstoffe nur in geringen Mengen anreichern.
Die mehr als hundertjährige Nutzung der Rieselfelder ließ charakteristische nährstoffreiche Standorte entstehen. Entsprechend angepasste Lebensräume mit einer großen Artenvielfalt und vielen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten bildeten sich dort, die nur erhalten werden können, wenn diese Gebiete weiterhin feucht gehalten werden.
Eine akute Gefährdung durch die im Boden enthaltenen Schadstoffe ist nicht zu erwarten. Solange sich eine geschlossene Pflanzendecke auf dem Boden befindet, können auch die Schwermetalle (Cadmium, Kupfer, Blei, Zink) kaum freigesetzt werden. Eine regelmäßige Überwachung von Grundwasser und Boden bei höher belasteten Flächen ist sicherlich anzuraten.
Gerade in einer so dicht bebauten Stadt wie Berlin mit einer großen Fläche versiegelter Böden, ist der Erhalt und die Pflege von großen zusammenhängenden Freiflächen unabdingbar. Naturnähe, Sicherung und Erhöhung der zurückgegangenen Artenvielfalt in der Großstadt, Pflege von Kulturlandschaften und Nutzung als Erholungsraum bedeuten hier keinen Widerspruch.
Mit ihrem eigenen Mikroklima beeinflussen die Rieselfelder in Karolinenhöhe positiv das Klima der Stadt und dienen gleichzeitig dem Erhalt des Grundwassers, aus dem unser Trinkwasser gewonnen wird.
Ralf Salecker