Bericht aus dem Ökogarten
Von nicht umgraben...
Also, das muss ich ja mal lobend feststellen, noch nie hat mich die Gärtnerin an meiner Seite gebeten, im Garten etwas umzugraben- ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Ökogartens! Das heißt, so ganz stimmt es ja nicht. Wenn es wieder einmal darum ging, ein Stück der Streuobstwiese „urbar“ zu machen, um Platz für neue Blumen, Erdbeeren, Spargel oder Gemüse zu schaffen, musste ich schon mit dem Spaten ran. Einen solchen haben wir nämlich noch immer, weil meine Frau so radikal denn doch nicht ist und man ihn ja auch sonst im Garten gelegentlich braucht.
Im Garten meiner Kindheit, dem Schrebergarten meiner Eltern, wurde im Herbst nach der Ernte immer alles umgegraben, richtig spatentief, und Mist kam auch in die Furchen. Und weil damals der Rücken noch ok war und fürs Umgraben das Taschengeld aufgebessert wurde, hat es mir sogar Spaß gemacht. Das Umgraben gehört ja auch zu den schönen Tätigkeiten, bei denen man nach getaner Arbeit gleich sieht, was man geschafft hat, aus dem abgeernteten etwas traurigen Stück Land wird frisches, jungfräuliches Gartenland.
Heute aber ist, wie gesagt, bei uns im Garten das Umgraben tabu, und meine Frau hat mir auch erklärt warum. Sie hat mich auf den Waldboden verwiesen, er ist locker, tiefgründig und fruchtbar und niemand hat ihn umgegraben. Mein Hinweis, dass die Wildschweine dies gelegentlich schon täten, zählte nicht. Nein, sie verwies darauf, dass der natürliche Ablauf mit Pflanzenwuchs, Schatten, Mulchschicht, Bodenleben und Niederschlägen seine Fruchtbarkeit erhält.
Na ja, so soll es bei uns im Garten eben auch sein, und sie sagt, dass das Bodenleben ganz besonders wichtig sei. Die Mikroorganismen und Bodentiere sorgen dafür, dass die Stoffkreisläufe im Boden in Gang gehalten werden. Das sind nun keineswegs, wie ich kenntnisreich einwarf, nur die Regenwürmer. Ein Gramm humusreicher Erde beherbergt vielmehr über eine Milliarde Lebewesen. Und wenn da nun jemand mit dem Spaten kommt und nicht nur Regenwürmer durchsticht, sondern alles durcheinander wirbelt, das Unterste nach oben und umgekehrt, dann kann das nicht gut gehen und das ganze Bodenleben muss erst wieder neu aufgebaut werden.
Meine Vorstellung aus der Kinder- und Jugendzeit, dass beim Umgraben die gute, unverbrauchte Erde von unten nach oben und die verbrauchte nach unten kommt, wurde zwar damals von allen Kleingärtnern und Landwirten geteilt, beruhte aber auf einem Irrtum. Denn tatsächlich kommt dabei die Humusschicht mit allen Mikroben und sonstigem Getier nach unten und wird von den Pflanzen gar nicht mehr erreicht. Außerdem sterben die meisten dann wegen der veränderten Lebensbedingungen ab. Ich weiß, dass als Begründung für das Umgraben immer wieder auch angeführt wird, dass man den Boden doch lockern und belüften müsse. Nun, darauf verzichten will meine Frau auch nicht, aber sie kennt andere Methoden und erreicht es mit der Hacke, mit der Grabgabel, der Gartenkralle oder ihrem Bio-Bodenlockerer schlechthin, dem Sauzahn. Der besteht aus einem sichelförmig gebogenen Zinken, der in eine platte Spitze ausläuft. Er wird durch den Boden gezogen und lockert ihn mit wenig Kraftaufwand bis zu einer Tiefe von 20 cm, ohne die Bodenschichten durcheinander zu bringen. Dabei können, wie ich mich überzeugt habe, auch Kompost und Gründung mit eingearbeitet und Wurzeln nicht erwünschter Wildpflanzen leicht herausgezogen werden.
All das, wie gesagt, mit relativ geringer Kraftanstrengung, so dass meine Hilfe nicht unbedingt erforderlich ist. Im Übrigen ist zu bedenken, dass unser Boden hier in der Mark Brandenburg durch die Gartennutzung auch gar nicht so verfestigt wird, dass er ständig gelockert werden muss. Meiner Tochter mit dem schweren Lehmboden in ihrem Garten bei Halle darf ich mit den Ratschlägen meiner Frau wohl kaum kommen, der Schwiegersohn kommt vorläufig kaum darum herum, den Garten umzugraben. Bei ihnen wird es noch einige Zeit dauern, bis sich eine lockere Humusschicht gebildet hat, die dann nach den „modernen“ Methoden bearbeitet werden kann. Aber vielleicht sollte ich ihr schon einmal einen Sauzahn schenken.
Im Zusammenhang mit der Rede vom Bodenleben hat mich meine Frau neulich übrigens mit der Feststellung überrascht, dass es ein Irrtum sei, Pflanzen seien reine „Vegetarier“, die sich vor allem von Mineralien ernähren. Vielmehr hätten neuere Forschungen ergeben, dass die Mikroorganismen im Boden eine große Bedeutung für die Ernährung der Pflanzen haben, womit nicht behauptet sei, dass sie diese direkt fressen. Damit aber wären wir bei der Permakultur und EM (effektive Mikroorganismen). Beides wird sicherlich bald Thema auch für unseren Garten, nachdem sich meine Frau intensiv damit beschäftigt hat und dann gibt es bestimmt wieder Spannendes zu berichten.
Wer sich zur Problematik des Umgrabens noch ausführlicher informieren will, und sei es auch nur um von dieser lästigen Pflicht endgültig befreit zu werden, der findet im Internet sowohl unter www.nabu.de als auch vor allem von Dr. Rudolf Trepte unter www.gartenfreude.de/archiv/1999-03/Umgraben ausführliche Informationen, derer auch ich mich mit zum Teil wörtlichen Zitaten bedient habe.
Wolfgang Levin