Bericht aus dem Ökogarten
Überraschender Besuch
Nein, vor Überraschungen ist man nie sicher. Gerade ist das Problem mit der Hausmaus nach fast einem Vierteljahr, indem sie alle Räume unseres Hauses inspiziert hatte und überall ihre Spuren hinterließ, auf natürlichem Weg beendet, meine Frau zog, als sie nach einer vermeintlich defekten Kühlschrankdichtung griff, die tote Maus unter dem Gerät hervor, - die Dichtung war der Schwanz-, da gibt es neuen tierischen Besuch. Diesmal zwar nicht im Haus, dafür aber vorm und am Haus.
Es begann alles damit, dass sich plötzlich in unserem Kiesbeet an der Einfahrt Sandhügel erhoben und diese sich entlang des Kantsteines zwischen eben diesem und dem Pflaster der Zufahrt fortsetzten. Wir hatten also wieder einmal einen Maulwurf. Der Angriff erfolgte völlig überraschend von der Seite unseres westlichen Nachbarn, unter dessen Fichten an der Grundstücksgrenze waren ebenfalls kleine Hügel zu erkennen. Sein anschließender Rasen und seine gepflasterten Wege allerdings waren verschont. Aus heiterem Himmel muss er also eingefallen sein. Na ja, und dann hat er natürlich gleich Reißaus genommen, der unwirtliche Boden unter den Fichten, das war nicht nach seinen Vorstellungen. Nur, nach Überschreiten der Grenze kam er vom Regen in die Traufe. Das muss ihn einigermaßen verwirrt haben, denn aus den hinterlassenen Erdhaufen war zu erkennen, das er sich erst einmal entlang dem Kantenstein gegraben, dann kehrt gemacht und sich unter dem immerhin 1,50m breiten gepflasterten Weg hindurch gewühlt hat. Da landete er allerdings im geschotterten Traufstreifen und vor der Kellerwand. Also wurde wieder die Richtung gewechselt und entlang der Kellerwand Richtung Vorgarten marschiert. Nach zwei Tagen ist er dann tatsächlich dort angekommen.
War es nun Entsetzen oder Stolz ,was meine Frau bewegte als sie die ersten Erdhügel zwischen den Rosen, dem Lavendel und all den anderen Gewächsen entdeckte, ist doch das Auftreten von Maulwürfen, wie es in einer Sendung von Radio Bremen hieß, ein Zeichen für guten Boden. So kriegte ich denn auch auf meine vorsichtig vorgetragene Hoffnung, dass der Maulwurf sich in Richtung östlichem Nachbar fortbewegen möge, zur Antwort, dass er sich bei unserem guten Boden mit den vielen Regenwürmern bestimmt wohl fühlen werde. Und wie zur eigenen Beruhigung fügte sie hinzu, „Schnecken frisst er auch.“
Na ja, was soll man auch machen, der Maulwurf steht bei uns unter Naturschutz. Da ist nichts mehr mit Wilhelm Busch, der in seinem Gedicht „Der Maulwurf“ den Kampf von Gärtner Knolle mit einem solchen beschreibt und am Schluss feststellt:
„Da liegt der schwarze Bösewicht - Und wühlte gern und kann doch nicht - Denn hinderlich wie überall - Ist hier der eigene Todesfall.“
Nein, sagt meine Frau, akzeptieren wir ihn lieber zunächst als Mitbewohner. Unser Maulwurf gehört zur Klasse der Säugetiere, der Ordnung der Insektenfresser, zur Familie der Maulwürfe (Talspidae) und der Gattung der eurasischen Maulwürfe (Talpa), so jedenfalls habe ich es, gründlich wie ich nun einmal bin, unter www.Tierenzyklopaedie.de nachgelesen. Da konnte ich auch erfahren, dass er sich nur von wirbellosen Tieren ernährt, zu 90% von Regenwürmern. So doll wird es also mit der Schneckenvernichtung wohl doch nicht werden, denn die restlichen 10% verteilen sich auf allerlei Insektenlarven, Drahtwürmern, Asseln und eben Schnecken. Allerdings ist er sehr gefräßig, täglich nimmt er soviel Nahrung auf, wie sein eigenes Körpergewicht beträgt, und ein ausgewachsenes männliches Exemplar wiegt häufig mehr als 100g. Der Maulwurf ist aber auch ein Schwerarbeiter. Er gräbt unabhängig vom Lauf der Sonne, die er ja so gut wie nie zu sehen bekommt, nach eigenem Rhythmus seiner inneren Uhr 3 4 Stunden und erholt sich dann für die nächste Schicht. Die Gänge gräbt er mit seinen extra großen Vorderfüßen und die gelockerte Erde drückt er dann in Abständen ebenfalls mit den Vorderfüßen hoch. Dabei schafft er bis zum Zwanzigfachen seines Körpergewichtes. In weichem Erdreich baut er 20cm Gang pro Minute, was eine verschobene Erdmasse von 6kg in 20 Minuten ergibt. Damit nun sein Hunger bei Schwerstarbeit auch immer gestillt werden kann, legt er sich Vorräte an. Das können Hunderte von Regenwürmern sein, die er nicht tötet, sondern denen er den Kopf abbeißt, um sie am Fortschlägeln zu hindern.
Wenn ich daran denke, wie wir im ersten Jahr in Falkensee mit dem Beginn der Gartennutzung jeden gefundenen Regenwurm bejubelt und einander gezeigt haben, dann verstehe ich nicht so recht, warum meine Frau sie jetzt alle dem Maulwurf gönnt. Obwohl, im Frühjahrskatalog von Gärtner Poetschke werden 250 rege Regenwürmer, übrigens mit dem Zusatz, auch zum Angeln hervorragend geeignet, für 14,95 Euro angeboten. 250 Stück, das sind ca. 250 Gramm und damit Maulwurfnahrung für zweieinhalb Tage. Auf die Dauer wäre das aber sehr teuer, und da ist es mir schon lieber, wenn er zum Nachbarn weiterzieht. Ich könnte natürlich still und heimlich etwas nachhelfen. Wie gesagt, der Maulwurf steht unter Naturschutz, jagen, verletzen oder gar töten darf man ihn nicht, aber vertreiben! Das soll mit Geräuschen und unangenehmen Gerüchen gehen. Am Markt wird da einiges angeboten, solarbetriebene Ultraschallgeräte, über deren Wirksamkeit allerdings gestritten wird. „Maulwurfschreck“ oder „Wühlex“ heißen die stinkenden Abwehrhilfen. Aber es soll auch handgemacht gehen. Eine mit der Öffnung nach oben eingegrabene Flasche soll beim darüber streichenden Wind Geräusche machen, die der Maulwurf nicht mag. Ob sie allerdings der Nachbar mag oder mir selbst den Schlaf rauben werden, sei mal dahin gestellt. Man kann auch eine Eisenstange in den Boden rammen und immer wieder mit dem Hammer dagegen schlagen. Ich weiß ja nicht, ob das die Lösung wäre, zumal es dann nichts mehr mit heimlich still und leise wäre. Bei den Gerüchen sind es Petroleum, in Seifenlauge gekochte Nüsse oder Jauchen aus frischen Holunderblättern, Knoblauch oder Lebensbaumblättern, die den Maulwurf vertreiben sollen. Aus Bremen gibt es noch einen Geheimtipp, stinkende Heringstöpfe. Bei all dem, raten die Fachleute, soll man allerdings beachten, dass die süßen Tierchen hartnäckig sind. Ist nämlich einer vertrieben, so freut sich der nächste über das schöne Gangsystem, aus dem sich irgendwann alle Gerüche verzogen haben. Und wie sieht es mit den natürlichen Feinden aus, ist da vielleicht Hilfe zu erwarten? Also, Wildschweine und Dachse sind für den Gärtner bestimmt nicht das kleinere Übel. Bussarde wären nicht schlecht, aber sein größter Feind der Storch wird mir hier in Falkensee bestimmt nicht helfen.
Ich, für meinen Teil bleibe dabei und sage es mit dem Haiku von Frau Helga Haverkamp noch einmal: „Ein Maulwurf wütet unterm Garten. - Hügel auf dem Rasen. - Ach, es wäre schön, würde er zum Nachbarn gehen!“
Wolfgang Levin