Kurzgeschichten von Kindern
Der alte Holzmichl
Teil 1
Zwei Gestalten liefen durch den Wald, soweit ich sehen konnte, erkannte ich einen Jungen und ein Mädchen im Alter von un-gefähr 15 Jahren. Ich war nur zufällig hier, um ein schönes Plätzchen zum Übernachten zu haben.
Mein Zelt stand inmitten von Pilzen, Heidelbeeren und Nadelbäumen aller Art. Ich wollte gerade einschlafen, als ich in der Nähe von mir zwei Schatten durch die Bäume huschen sah. Es war Vollmond und so konnte ich erkennen, dass es keine Tiere, sondern Menschen waren. Neugierig steckte ich den Kopf aus meinem Zelt und beobachtete, was sich weiter zutrug.
Sie waren am Ufer stehen geblieben. Der See lag ruhig da nur ein paar Frösche quakten, obwohl es Nacht war.
„Sternenklarer Himmel und Vollmond, ist das nicht wunderschön?“ fragte er sie.
„Ja“, antwortete sie „aber ich glaube, ich muss jetzt nach Hause. Es ist spät und meine Eltern werden sich schon Sorgen machen.“ „Ach bitte Michi, bleib doch noch ein bisschen“, sagte er und gab ihr einen Kuss. Michi? Fragte ich mich überrascht, das ist doch eindeutig ein Spitzname für Jungen! Doch dann kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht Mi...
Peng! Ein Schuss! Schnell widmete ich mich wieder den Beiden. Der Junge lag leblos auf dem Boden. Das Mädchen kniete neben ihm und weinte und blickte ängstlich um sich. Da kam ein Ruderboot, in dem eine schwarz umhüllte Gestalt saß, langsam an sie heran. Sie bemerkte es nicht. Am liebsten hätte ich um Hilfe gerufen, doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Verdammt!
Jetzt packte die Gestalt das Mädchen mit beiden Händen und setzte sie in das Boot. Sie schrie auf, doch der Mann wie ich jetzt erkannte stopfte ihr ein Stofftuch in den Mund und fesselte sie an Armen und Beinen. Dann sagte er: „Das Betäubungsmittel wird schnell wirken und deine Sinne werden schwinden, dann fällst du in einen tiefen Schlaf und wachst nie wieder auf!“
Sein ekliges Lachen war bis hier hoch zu hören. Doch mein Entschluss war gefasst: diesen Kerl konnte ich nicht entkommen lassen! Schnell zog ich mir meine schwarze Lederjacke über und rannte im Schutz der Bäume dem Boot hinterher.
Ich lehnte mich an einen Baum und schnappte nach Luft. Meine Beine schmerzten, doch ich durfte nicht aufgeben.
Ich sah zum See, um zu gucken, wo sich das Boot jetzt befand. Mir rutschte fast das Herz in die Hose: das Boot war nirgends zu erkennen! Sollten diese 10 Kilometer, die ich zu Fuß und ohne anzuhalten gerannt war, umsonst gewesen sein?
Moment mal: hatte sich dort nicht gerade etwas im Schilf bewegt? Ja, das war der fiese Typ von vorhin! Nun wusste ich, wo er sie versteckt hielt. Ich zog mein Taschenmesser aus meiner Hosentasche und ritzte ein paar Zeichen in einen Baum, den ich gedachte, wieder finden zu können. Danach legte ich meine dunkle Jacke über eine der kräftigen Wurzeln und lief den ganzen langen und mühsamen Weg wieder zurück.
Doch wie alles in dieser Nacht, war es umsonst gewesen, dass ich zurück gelaufen war, dachte ich jedenfalls. Der Junge war tot, wie ich schon befürchtet hatte. Ich schob ihn ins Schilf. Dabei fiel ein Portemonnaie aus seiner Jackentasche. Das wollte ich mir doch einmal näher ansehen. Mist. Nur 7,26 Euro. Dann war da noch ein abgefranztes Schmierblatt und ein Schülerausweis. Mein Blick fiel auf den Namen: Tom Waldor. Der Name sagte mir nichts. Oder ... Moment mal... Waldor hieß doch der eingebildete Chef der Volksbank. Aha! Irgendjemand muss seinen Vater gekannt und verachtet haben. Vielleicht war er auch in eine große Auseinandersetzung verwickelt? Wer weiß? Oder ging es doch nur um das Mädchen? Ich wusste es nicht. Nun betrachtete ich diesen Fetzen, der sich als eine Adresse erwies, die von einem Brief abgerissen worden war. Drauf stand: Sabine Waldor, Kleiststr. 14 a usw.
Tja, das konnte jeder sein: Tante, Mutter, Schwester, Großmutter, ... Es half mir nicht weiter. Ich steckte den Schülerausweis in meine Tasche und stand auf. Das Schicksal des Mädchens lag jetzt in meiner Hand.
Fortsetzung folgt
Sandra Kammel, 13 Jahre,
Dallgow-Döberitz